Die Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland hat hohe Wellen geschlagen. Der Versicherungsbote berichtet am 2.4.2024 über den „Makler-Erfahrungsaustausch zwischen Rentierschmaus und Schlittenhunden“, siehe Presse. Inzwischen prüft die Aufsichtsbehörde BaFin den Vorgang.
Anlässlich dieser Inter Lustreise haben wir uns mit der Frage beschäftigt, ob teure Incentivereisen an exotische Orte mit Spaßprogramm heute noch ethisch und politisch opportun sowie rechtlich vertretbar sind.
Was ist eine Incentive-Reise?
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Jetzt kostenlosen Online-Beratungstermin buchenDie Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland
Vom 23.3. bis 26.3. lud die Inter Versicherung bzw. Inter Krankenversicherung ca. 15-20 Versicherungsvermittler ins ferne Lappland ein. Sie wurden von ca. 5 Mitarbeitern der Inter als Begleitpersonen betreut.
Konfrontiert wurden wir mit der Incentive-Reise nach Lappland durch die heimliche (ohne Information der Geschäftsleitung) Einladung einer (inzwischen ehemaligen) Mitarbeiterin durch die Inter Krankenversicherung, siehe Die Chronologie der Inter Versicherung Incentive-Reise.
Bei LinkedIn bezeichnete der Bereichsleiter Maklerorganisation der Inter Versicherungsgruppe das Programm in einem (zwischenzeitlich gelöschten) Beitrag als „arbeitsintensive Veranstaltung“. Ein Teilnehmer revanchierte sich nach Rückkehr mit Beiträgen bei LinkedIn und Facebook, in denen er betonte, dass sich um keine reine Spaßveranstaltung handelte, weil er viele interessante Menschen kennen lernte, sich austauschen konnte und die Inter Feedback vom Markt bekam.
Das Programm der Inter Incentive-Reise nach Lappland
Schauen wir uns den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen anhand des uns vorliegenden finalen Original-Programms der Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland einmal genauer an. Programmpunkte, die möglicherweise mit Arbeit zu tun haben könnten, sind zur besseren Erkennbarkeit fett markiert:
Samstag, 23. März 2024
17:50 Uhr Ankunft Kittilä (Lappland)
Bustransfer zum Hotel Hullu Poro in Levi – Check-in
19:45 Uhr Treffpunkt Hotelfoyer, Spaziergang zum Restaurant Pihvipirtti (Steak House), anschließend Rückkehr zum Hotel.
Sonntag, 24. März 2024
Individuelles Frühstück im Hotel
10:15 Uhr Treffpunkt Hotelfoyer Spaziergang zum Safarihaus.
Einweisung in die anstehenden Aktivitäten und Ausgabe der erforderlichen Ausrüstung: Helme, Kappen und Handschuhe (für beide Tage).
Motorschlittensafari durch verschneiten Wälder zum Dorf Pöntsö.
Besuch der Kunstgalerie Raekallio, die Ausstellung zeigt verschiedene Themen über das Leben und die Natur.
Die deutschsprachige Wirtin erzählt über die Villa und hat ein Mittagessen (Suppe) vorbereitet. Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch.
Anschließend Fahrt mit dem Motorschlitten zum Eiskarting.
Der ultimativen Fahrspaß auf dem Eis mit Karts, speziell ausgerüstet mit Spikes.
Rückfahrt mit den Motorschlitten nach Levi und Spaziergang zum Hotel.
Möglichkeit zum Saunabesuch im Hotel (geöffnet von 17:00-21:00 Uhr), eigene Badekleidung nicht vergessen.
18:00 Uhr Abends traditioneller Rentierfestschmaus im Kammi mit Erfahrungsaustausch. Das Restaurant Kammi bietet traditionelle lappländische Delikatessen und eine einmalige Atmosphäre.
Montag, 25. März 2024
Individuelles Frühstück im Hotel
10:15 Uhr Bustransfer zum Rallyezentrum von Levi Winter Driving auf dem Eis.
Fahrt mit dem Rallye-Auto auf der Trainingsstrecke. Gelegenheit auf dem Co-Pilotensitz Platz zu nehmen und zu erleben wie ein Rallyefahrer das Auto steuert.
Mittagessen im Service-Center Kota mit Erfahrungsaustausch.
Anschließend kurzer Transfer zur Huskyfarm.
13:30 Uhr Abenteuerliche Huskysafari durch die verschneite Winterlandschaft.
Danach heiße Getränke und Rentierschinken-Brote im Lappenzelt.
16:00 Uhr Rückfahrt zum Hotel und Rückgabe der Winterbekleidung an der Rezeption.
Möglichkeit zum Saunabesuch im Hotel (geöffnet von 17:00-21:00 Uhr)
19:00 Uhr Abendessen im Restaurant Ämmilä Hotel Hullo Poro
Dienstag, 26. März 2024
Individuelles Frühstück im Hotel
11:30 Uhr Bustransfer zum Flughafen Kittilä
Mehr Spaß oder mehr Arbeit bei der Inter Incentive-Reise?
Man muss im Programm der Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland schon sehr genau suchen, um Programmpunkte zu finden, die auch nur ansatzweise etwas mit „Arbeit“ zu tun haben.
Bei Gesprächen in der Sauna oder anlässlich des abendlichen „Rentierfestschmauses“ im Restaurant Kammi mit „traditionellen lappländischen Delikatessen und einmaliger Atmosphäre“ mit vollem Mund nehmen die Inter und ihre Gäste vielleicht auch ein paar fachliche Impulse mit.
Der ganz überwiegende Charakter dieser Lustreise klingt jedoch nach Fun, Spaß, Abenteuer, Unterhaltung und Schlemmerei!
Was kostet die Inter Versicherung Incentive-Reise?
Unsere Frage nach konkreten Kosten hat die Inter Versicherung bislang nicht beantwortet.
Flüge von Frankfurt über Helsinki nach Kittilä mit Finair und wieder zurück kosten je nach Termin in der Business Class, über die sich einer der Teilnehmer öffentlich freute, rund 1.500 EUR. In der Economy Class wären es rund 650 EUR. Dazu kommen rund 2.000 EUR für das eigentliche Incentive, also in Summe geschätzt ca. 3.000 – 3.500 EUR pro Person.
Dazu kommen wie im Beitrag Versicherungswirtschaft heute vom 16.10.2019 mit der Überschrift „Incentives nach dem Ergo-Beben: Von Lustreisen, Reiselüsten und Compliance“ beschrieben noch: Kosten für die Organisation der Reisen einschließlich etwaiger Vorreisen, Produktionskosten: Grafik, Druck, Technik, Genehmigungen etc., sämtliche übrige externe Kosten, z.B. für externe Reiseagenturen und andere externe Dienstleister, Prämien für notwendige Versicherungen, Steuerzuschüsse und zu übernehmende Lohn- oder Pauschalsteuer.
Alles in allem dürften die Gesamtkosten der Inter Versicherung Incentive-Reise für rund 30 Teilnehmer bei mindestens 100.000 EUR liegen. Man kann also mit Fug und Recht von einem teuren Vergnügen sprechen.
Weshalb eine Inter Versicherung Incentive-Reise?
Versicherungsunternehmen sind nicht dafür bekannt, uneigennützig Wohltaten zu verteilen. Mit minimalem betriebswirtschaftlichem Verständnis kann man davon ausgehen, dass eine so große Summe investiert wird, um den Absatz der eigenen Produkte zu belohnen oder jedenfalls künftig zu fördern. Wäre das nicht der Fall, müsste der Inter Vorstand Mitarbeitern kündigen, die ohne Nutzen teure Reisen veranstalten und viel Geld ausgeben.
Zur Ethik von Incentive-Reisen
Früher waren noch teurere Incentive-Reisen ohne jegliches Arbeitsprogramm an viel exotischere Orte gang und gäbe. Niemand hat sich daran gestört. Nach bekannten Exzessen hat inzwischen jedoch ein Meinungswandel stattgefunden.
Statements von (eher jüngeren) Versicherungsvermittlern
Auch heute sehen einige (eher jüngere) Versicherungsvermittler Incentive-Reisen noch positiv und posten davon fröhlich öffentlich Fotos. In Diskussionen fallen sinngemäß Argumente wie:
Was sagen erfahrene Kollegen zu Incentive-Reisen
Stimmen erfahrener Kollegen, sämtlich „elder statesmen“, zur Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland sind durchgängig kritisch:
Der GDV Verhaltenskodex für den Vertrieb: Ein Papiertiger!
Wie unter Verstoß gegen den GDV Verhaltenskodex für den Vertrieb? beschrieben ist der GDV Verhaltenskodex für den Vertrieb leider nur ein „wachsweiches Instrument, um Selbstverständlichkeiten in der Branche als Standard zu etablieren.“
Regelungen in Compliance-Richtlinien von Versicherungen
Laut § 29 VAG und GDV Verhaltenskodex müssen Versicherungsunternehmen über ein wirksames internes Kontrollsystem verfügen, sich Compliance-Vorschriften geben und die Einhaltung kontrollieren. Dazu gehört u.a. die Beachtung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften, die Ächtung von Bestechung, klare Regeln für den Umgang mit Geschenken, Einladungen und sonstigen Zuwendungen sowie Unternehmensveranstaltungen.
Hier Auszüge aus einer das Thema Events anschaulich konkretisierenden „Konzernrichtlinie Umgang mit Geschenken und Einladungen„:
„Sowohl Ort der Veranstaltung als auch Veranstaltungsprogramm sind ausschließlich nach geschäftlichen Beurteilungskriterien auszuwählen. Unsachliche oder touristische Erwägungen dürfen nicht einbezogen werden. Die Entscheidung ist nachprüfbar zu dokumentieren. Das Rahmenprogramm darf nicht mehr Zeit und wirtschaftlichen Aufwand als der unternehmerische Anteil der Veranstaltung in Anspruch nehmen.„
In diesem Unternehmen wäre die Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland eindeutig illegal.
Die Probleme von Compliance-Richtlinien von Versicherungen
Compliance-Richtlinien von Versicherungen sind (bislang) aus drei Gründen keine große Hilfe bei der Beurteilung von Incentive-Reisen:
Compliance-Richtlinien von Versicherungsvermittlern
Compliance-Richtlinien sind bei Versicherungsvermittlern noch weniger verbreitet als bei Versicherungen. Für kleinere Unternehmen hätte das auch den Charakter des Schießens mit Kanonen auf Spatzen.
Wir empfehlen so wie bei uns zumindest eine klare arbeitsvertragliche Regelung, die Mitarbeitern das Annehmen von Provisionszahlungen oder Zuwendungen in Form von Sachleistungen, Reisen oder sonstigen Zuschüssen untersagt. So kann die Geschäftsleitung ihre Vorstellungen von Compliance durch Freigabe im Einzelfall firmeneinheitlich umsetzen.
Die Sichtweise der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs (BaFin)
Die BaFin schreibt dazu auf ihrer Website Incentives im Vertrieb: Empfehlungen der BaFin für einen besseren Verbraucherschutz:
… die öffentliche Wahrnehmung spielt bei der Frage, was bei der Gewährung von Incentives vertretbar ist, eine entscheidende Rolle. Diese Wahrnehmung kann sich jedoch wandeln. So hätten die Incentive-Reisen, die die Presse vor rund zwei Jahren mit überaus negativem Tenor beschrieb, möglicherweise vor 30 Jahren keine so großen Wellen geschlagen.
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Genau dieser öffentliche Meinungswandel hat aus unserer Sicht inzwischen stattgefunden! Nicht erst seit der Budapester Sex-Party der Hamburg-Mannheimer haben solche Einladungen in der Branche inzwischen einen sehr zweifelhaften Ruf.
Die seit 2018 geltende Versicherungsvermittlerverordnung sieht das ähnlich:
Der Gewerbetreibende darf keine Vorkehrungen durch die Vergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen, durch die Anreize für ihn selbst oder seine Beschäftigten geschaffen werden könnten, einem Versicherungsnehmer ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen …
§ 14 VersVermV
Wie versuchen wir „richtig“ oder „falsch“ zu bewerten
Aus der früheren Rechtsabteilungs-Tätigkeit von Dr. jur. Berndt Schlemann stammen zwei praktische „Tests“, die bei der Bewertung von „richtig“ oder „falsch“ im Rahmen der Compliance helfen können:
Der Red Face Test
Bekomme ich beim Red Face Test einen roten Kopf, wenn Kunden, Verbraucherschützer oder BaFin mich auf einen Sachverhalt ansprechen? Wie würden „fremde“ PKV-Kunden (nicht unsere „best buddies“) auf so eine Reise reagieren wenn sie erfahren, dass wir uns von der Inter zu einer teuren Spaßreise an einen exotischen Ort einladen lassen? Würden sie uns auf die Schulter klopfen und uns viel Freude wünschen? Oder eher befürchten, dass bei der Beratung sachfremde Einflüsse eine Rolle spielen, weil die Pfefferminzia Versicherung keine so schönen Reisen anbietet?
Der New York Times Test
Könnte der Sachverhalt auf der ersten Seite einer großen Zeitung wie der New York Times (Spiegel, Süddeutsche Zeitung etc.) stehen, ohne dass wir Ärger mit Kunden, Verbraucherschützern, Bafin, etc. bekommen?
Beide Tests sprechen aus unserer Sicht eindeutig gegen die Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland!
Unser persönliches Fazit zur Ethik teurer Incentive-Reisen
Wir gönnen Vermittlern und Begleitpersonen der Inter ganz viel Spaß in Lappland. Dennoch sehen wir diese Reise aus folgenden Gründen sehr kritisch:
Die „Gefahr“ von Incentive-Reisen besteht nicht nur in der konkreten Beeinflussung von Versicherungsvermittlern oder ihren Mitarbeitern. Viele Kollegen werden sich durch eine Reise nicht „bestechen“ lassen oder verreisen dann eben mit mehreren Gesellschaften. Das Problem ist die abstrakte Gefahr in der öffentlichen Wahrnehmung und der Eindruck von Fehlanreizen, der bei Kunden und Verbraucherschützern entsteht!
Dr. jur. Berndt Schlemann
Auch wenn für uns als Firma Werte sehr wichtig sind (siehe Vision, Mission, Werte), möchten wir nicht den Eindruck moralischer Überlegenheit erwecken. Auch ganz banal ökonomisch gesehen würde ein Verlust an Integrität unserer Marke als Firma niemals aufgewogen werden durch eine geschenkte Reise für einige tausend Euro.
Wir geben Versicherungen gerne Feedback zur Servicequalität oder zur Verbesserung ihrer Produkte und freuen uns, dass wir als marktbekannte Experten dazu eingeladen werden. Das tun wir online per Teams oder an Orten wie Köln, Leverkusen oder Wuppertal, nicht jedoch an exotischen Locations wie in Lappland mit Spaßprogramm, in dem man fachliche Inhalte mit der Lupe sucht. Anders als manche Kollegen lassen wir uns dafür nicht bezahlen, sondern sehen unsere aufgewandte Zeit als partnerschaftliches Investment. Ein einziges Mal gab’s für ein Statement ein Honorar, das wir direkt an die Christoffel Blindenmission gespendet haben.
Wie können Incentives compliance-konform stattfinden?
Persönliche Zusammenkünfte von Anbietern, Vermittlern und anderen „Stakeholdern“ halten wir für wichtig und produktiv. Dabei muss nicht nur gearbeitet werden. Auch beim lockeren Austausch im Rahmen des Freizeitprogramms gewinnt man wichtige Informationen und Erkenntnisse und knüpft wertvolle Kontakte. Location und Umgebung dürfen durchaus inspirierenden Charakter haben.
Auch heutzutage sind Incentives nach unseren Recherchen vertretbar wenn:
Sind teure Incentive-Reisen politisch opportun?
Was wir bei Incentive-Reisen in politischer Hinsicht für bedenkenswert halten:
Teure Spaßreisen sind (aus unserer Sicht zu Recht) ein gefundenes Fressen für Verbraucherschützer, die Versicherungsvermittlern gerne pauschal unlautere Motive und Bereicherung unterstellen. Unter dem Gesichtspunkt des seit IDD im Fokus stehenden materiellen Verbraucherschutzes sind Einwände gegen solche Incentives einer Versicherung durchaus nachvollziehbar.
Finanzdienstleister stehen im Fokus von EU-Regulierung und Aufsichtsbehörden. Neben exzessiven Events war gerade bei Krankenversicherungen jahrelang ein eklatantes Marktversagen zu beobachten, Stichwort MEG / Mehmet Göker. Folge war die Courtage-Deckelung nach § 50 VAG. Angesichts regelmäßiger Diskussionen um weitere Provisionsverbote teure Incentive-Reisen zu exotischen Locations anzubieten, ist von der Inter Versicherung auch politisch höchst unsensibel!
Wir arbeiten permanent daran, z.B. durch Beiträge in der Finanztip Community, dass Versicherungsmakler in der Öffentlichkeit als die „Guten“ wahrgenommen werden, die sie aus unserer Sicht ganz überwiegend sind. Teure Spaßreisen einer Versicherung machen diese Bemühungen wieder zunichte.
Rechtliche Probleme einer geschenkten Incentive-Reise
Inwieweit Tatbestandsvoraussetzungen nachfolgend genannter Vorschriften vorliegen, konnten wir mangels Stellungnahme der Inter noch nicht verifizieren. Sobald diese vorliegt, werden wir Details prüfen und eventuelle Verstöße zuständigen Stellen zur Kenntnis bringen.
Ganz allgemein gesprochen und nicht konkret auf die Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland bezogen, sehen wir mehrere rechtliche Probleme darin, wenn eine Versicherungsgesellschaft Mitarbeitern eines Versicherungsvermittlers ohne Information der Geschäftsleitung teure Geschenke zukommen lässt.
Bestechung nach § 299 StGB?
Wenn eine Versicherung einem unserer Berater heimlich eine teure Reise schenkt, um künftig bei der Vermittlung von Versicherungen bevorzugt zu werden, könnte eine Straftat gem. § 299 StGB vorliegen. Siehe „Compliance verändert den Umgang mit Events und Incentive-Reisen“ von RA Prof. Dr. Peter Fissenewert.
§ 299 StGB wurde 2015 durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption eingeführt, um in der Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass es sich bei Korruption um „eine Kriminaliätsform handelt, die nicht nur die Wirtschaft selbst betrifft, sondern Ausdruck eines allgemein sozialethisch missbilligten Verhaltens ist“ (BT-Drucksache 13/5584, S. 15). Geschütztes Rechtsgut ist der „lautere Wettbewerb“ und das Interesse des Geschäftsherrn an der „loyalen und unbeeinflussten Erfüllung der Pfichten durch seine Angestellten“. Bei diesem „abstrakten Gefährdungsdelikt“ spielt es keine Rolle, ob ein Schaden eintritt oder nicht.
Bei Amtsträgern geht der BGH im Urteil des 1. Strafsenats vom 14.10.2008, AZ 1 StR 260/08 von einer „Unrechtsvereinbarung“ und Vorteilsgewährung aus, wenn es dienstliche Berührungspunkte zwischen den Parteien gibt, Vorteile von hohem Wert zugewandt werden und heimlich vorgegangen wird.
Der 5. Strafsenat des BGH schreibt im Urteil vom 22.01.2020, AZ 5 StR 385/19, dass es für das Tatbestandsmerkmal der „Bevorzugung“ genügt „wenn die zum Zwecke des Wettbewerbs vorgenommenen Handlungen nach der Vorstellung des Täters geeignet sind, eine Bevorzugung im Wettbewerb zu veranlassen“. Die Möglichkeit, wie z.B. durch Zuwendung einer teuren Reise, reicht aus!
Ein Versicherungsvorstand könnte sogar Mittäter gem. § 25 StGB sein. Unterlässt der Vorstand Maßnahmen, um solche Verstöße zu verhindern, droht ihm gem. § 130 OwiG – und über § 30 OwiG auch der Gesellschaft selbst – eine Geldbuße bis zu 1 Million Euro! Erschwerend wirkt sich aus, wenn Versicherung und Vorstand auf Hinweise nicht reagieren und keine Gegenmaßnahmen ergreifen.
Verstoß gegen Wettbewerbsrecht?
Auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten erscheint es sehr fragwürdig, wenn Versicherungen Mitarbeitern von Versicherungsvermittlern heimlich teure Reisen zuwenden, siehe § 1 UWG.
Gefahr der Steuerhinterziehung
Größere Unternehmen unterliegen regelmäßigen steuerlichen Betriebs- und Sozialversicherungsprüfungen. Sie sollten deshalb tunlichst darauf achten, bei solchen Prüfungen keinen Anstoß zu erregen.
Teilnehmer geschenkter Incentive-Reisen müssen diese versteuern. Bei Arbeitnehmern als steuerpflichtiger Sachbezug. Erfolgt die Zuwendung an eine Firma, sind es zu versteuernde Betriebseinnahmen.
Ohne Kenntnis einer solchen Zuwendung mangels Information der Geschäftsleitung können diese Zuwendungen nicht ordnungsgemäß versteuert werden! Versicherungsgesellschaft oder Maklerunternehmen oder beide laufen Gefahr, gem. § 370 AO wegen Steuerhinterziehung belangt zu werden!
Aus den Teilnehmerunterlagen sollte erkennbar sein, ob und in welcher (korrekten?) Höhe die zuwendende Versicherung eine pauschale Versteuerung übernimmt. Ausführlich dazu: Incentives: Besteuerung beim Leistenden und beim Empfänger.
Verstoß gegen den GDV Verhaltenskodex für den Vertrieb?
Die meisten deutsche Versicherer sind laut Beitrittsliste dem sog. Verhaltenskodex für den Vertrieb aus 2018 beigetreten. Danach müssen Versicherungsunternehmen darauf achten, dass die Unabhängigkeit eines Maklers nicht beeinträchtigt wird und etwaige Interessenkonflikte sorgfältig vermeiden.
Ein solcher Interessenkonflikt stünde im Raum, wenn eine Versicherung Mitarbeiter eines Maklerunternehmens heimlich zu einer teuren Reise einlädt, um sie bei der Auswahl vermittelter Versicherungen zu beeinflussen.
Die Inter Allgemeine Versicherung AG, Inter Krankenversicherung AG und Inter Lebensversicherung AG haben es sich 2020 jedoch interessanterweise wieder anders überlegt und ihren Austritt aus dem Verhaltenskodex erklärt. Hony soit, qui mal y pense!
Abgesehen davon gilt der Verhaltenskodex des GDV wie im FAZ Artikel vom 28.4.2016 „Versicherer belohnen weniger als früher“ beschrieben „als wachsweiches Instrument, um Selbstverständlichkeiten in der Branche als Standard zu etablieren“. Nur eine Handvoll von Gesellschaften lässt die Wirksamkeit der Maßnahmen auch überprüfen.
Wurde gegen Compliance Regeln der Inter verstoßen?
Ein Verstoß gegen Compliance Regeln (siehe oben Regelungen in Compliance-Richtlinien von Versicherungen) steht im Raum. Da die Inter Versicherung ihre Compliance Regeln nicht veröffentlicht, ist eine abschließende Beurteilung nicht möglich. Der zuständige Wirtschaftsprüfer scheint nach unseren Informationen mit dem Fall bereits befasst zu sein.
Die Chronologie der Inter Versicherung Incentive-Reise
Zum besseren Verständnis unserer Kritik an der Inter Versicherung hier der zeitliche Ablauf der Ereignisse aus unserer Sicht:
Freitag, 8. März 2024: Die Entdeckung
Dienstag, 12. März 2024: Einschaltung des Vorstands der Inter
Weitere Erinnerungen, Vorstandsbeschwerde, Leiter Compliance
Keinerlei qualifizierte Stellungnahme von Inter und GDV
Reaktion der Inter gegenüber der Presse
Der Versicherungsbote berichtet am 2.4.2024 über den „Makler-Erfahrungsaustausch zwischen Rentierschmaus und Schlittenhunden“.
Diesem Branchenmedium hat die Inter erstaunlicherweise ausführlich geantwortet. Auch hier jedoch keinerlei „Unrechtsbewusstsein“, sondern über fast zwei DIN A4 Seiten (!) elegant formulierte Ausreden.
Die Kernpunkte der Kritik:
werden wortreich umschifft.
Prüfung durch Aufsichtsbehörde BaFin
Unsere Beschwerde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 24.3.2024 wird nach zwischenzeitlichen Erinnerungen nun seit 19.4.2024 von dem für die Aufsicht über die Inter Krankenversicherung AG zuständigen Referat VA 23 (Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht) unter dem Geschäftszeichen VA 23-I 4101/00044#00001 bearbeitet. Die Inter wurde noch am gleichen Tag zur Stellungnahme aufgefordert.
Die arbeitsrechtliche Seite
Den Vertrag der heimlich die Reise annehmenden Mitarbeiterin haben wir fristlos gekündigt. Das Arbeitsgericht Köln hat in einem Termin am 28.8.2024 bestätigt, dass die fristlose Kündigung wirksam geworden ist.
Wie reagiert die Inter?
Wie unter Die Chronologie der Inter Versicherung Incentive-Reise beschrieben haben wir die Inter Versicherung direkt offen angesprochen und um Stellungnahme gebeten.
Maklerbetreuerin, Bereichsleiter Maklerorganisation und das für Compliance zuständige Vorstandsmitglied reagierten entweder gar nicht oder nur ausweichend und versuchten sich herauszureden. Die erbetene Stellungnahme ist trotz mehrfacher Nachfragen und Erinnerung nicht erfolgt. Auf die eingelegte Vorstandsbeschwerde mit Kopie an die Bafin sowie die Einschaltung des Leiters Compliance ebenfalls keine Reaktion, siehe Status Quo: Keinerlei qualifizierte Stellungnahme der Inter.
Wir können nicht erkennen, dass das Thema Compliance bei der Inter einen besonders hohen Stellenwert genießt und unsere konkret begründete Beschwerde ernst genommen wird.
Unser Fazit zur Inter Versicherung Incentive-Reise
Die Inter Versicherung Incentive-Reise ins ferne Lappland für ca. 100.000 EUR mit Spaßprogramm halten wir für einen ethisch, politisch und rechtlich zweifelhaften Anachronismus, der nicht mehr in die aktuelle Zeit passt.
Maxime unseres Handelns als Firma sind Interessen und Wertschätzung unserer Kunden. Unter diesem Aspekt halten wir die Teilnahme an einer Inter Versicherung Incentive-Reise nach Lappland für undenkbar. Auch rein ökonomisch gesehen würde ein Verlust an Integrität unserer Marke als Firma niemals aufgewogen werden durch eine geschenkte Reise für einige tausend Euro.
Als unabhängige Versicherungsmakler sind und bleiben wir – ebenso wie unsere Maklerkollegen – unseren Kunden verpflichtet, nicht einer Versicherung!